Interview mit Oliver Henke

Herr Henke, wie lange braucht man um ein Uni­ver­sum zu erfin­den?
Mit einem gro­ßen Knall war es auf jeden Fall nicht getan (lacht). Natür­lich geht das nicht über Nacht, son­dern hatte einen lan­gen Rei­fe­pro­zess. Ich habe mir schon als Kind stän­dig Geschich­ten aus­ge­dacht und die dann erzählt. Meine größ­ten Momente hatte ich, wenn ich mir für die Schule Geschich­ten aus­den­ken sollte. Lesen dage­gen hat mir kei­nen Spaß gemacht, weil die Geschich­ten für mich nicht mehr zu ver­än­dern waren. Und so habe ich im Grunde immer schon mit einem Bein in alter­na­ti­ven Rea­li­tä­ten gelebt. Ich habe mir nicht nur Sachen aus­ge­dacht, son­dern auch Dinge aus der ech­ten Welt ver­än­dert und ver­bun­den. So mache ich das heute noch: ich sauge alles auf und bringe es in einen neuen Kontext.

Sie haben also früh Lust daran gehabt, aktiv zu gestal­ten.
Ich habe als Kind sogar Spiele gehasst, bei denen man nichts ändern konnte. Ich habe zwar auch ‚Mono­po­lyʻ und ‚Spiel des Lebensʻ gespielt, aber nach mei­nen eige­nen Regeln. Und so ist es mit Ran­dom auch: Ich kann die Poli­tik bestim­men und sogar die Natur­ge­setze, solange alles einer Logik unter­liegt. Ich bestimme also gewisse Para­me­ter und an die muss sogar ich mich beim Schrei­ben hal­ten (lacht).

Spä­ter haben Sie dann begon­nen, ihre Geschich­ten auf­zu­schrei­ben.
In mei­nem Kopf pas­siert so viel, ich muss dass ein­fach auf­schrei­ben. So habe ich mir lange Zeit immer wie­der Schnip­sel notiert, wie Cha­rak­tere, Sze­nen und Hand­lungs­bö­gen. Seit Anfang der 90er habe ich dann immer kon­kre­ter Puz­zle­teile des Random-Universums gesam­melt, auch wenn mir das zu die­ser Zeit noch nicht klar war. Nach und nach habe ich so das Uni­ver­sum ent­wi­ckelt, indem ich am Wochen­ende oder nach Fei­er­abend meine Ideen skiz­ziert habe. 2004 fing ich dann an, die Epi­so­den zu schrei­ben und 2006 konnte ich das erste Buch veröffentlichen.

Woher neh­men Sie die Ideen für Ihre Geschich­ten?
Manch­mal ist es nur ein ein­zi­ger Satz, der mich inspi­riert und aus dem ich dann ein gan­zes Aben­teuer ent­wi­ckele. So einen Satz schnappe ich bei der Arbeit auf oder er kommt mir unter der Dusche in den Sinn. Ich gehe ein­fach mit offe­nen Augen und Ohren durch die Welt und höre oft eine Zeile, über die ich dann nach­denke: Wer könnte das gesagt haben, was bedeu­tet die­ser Satz, in wel­chem Zusam­men­hang steht er?

Haben Sie ein Bespiel dafür?
„Wisst ihr denn eigent­lich wor­über wir hier spre­chen? Wir reden dar­über, in den Palast der Tamarin-Prinzessin ein­zu­bre­chen!“ Die­sen Satz hat mir mein Cha­rak­ter ‚Stein­bachʻ ins Ohr geflüs­tert und ich habe ihm ein Aben­teuer drum­rum erfunden.

Brau­chen Sie zum Schrei­ben einen bestimm­ten Ort, bestimmte Musik oder andere Einflüsse und Umge­bun­gen?
Bei Musik kann ich sehr gut abschal­ten. Beson­ders klas­si­sche Musik hilft mir dabei, mich in das Random-Universum einzufühlen.

Was reizt Sie gerade an der klas­si­schen Musik?
Die Ele­ganz regt mei­nen Geist an. Und die pure Lebens­freude, die man beson­ders im Barock und Rok­koko spürt. Bei Anto­nio Vivaldi und Jean-Baptiste Lully zum Bei­spiel geht es natür­lich viel um Eska­pis­mus, darum die Rea­li­tät zu ver­ges­sen. Es ist eine freund­li­che Musik ohne Düs­ter­nis. So gestalte ich dann auch meine Texte, die ja unter­hal­ten sol­len, leicht iro­nisch, aber sie sol­len Spaß machen. Geschich­ten sind ja grund­sätz­lich mit der Musik eng ver­wandt. Auch in Erzäh­lun­gen geht es um Rhyth­mus, Har­mo­nie und Melo­die, eben darum das der Text im Fluss ist. Und so ist Schrei­ben wie Komponieren.

Gibt es für Sie ein bestimm­tes Musik­stück, was die­sen Ver­gleich gut beschreibt?
Es gibt da ein Stück, dass bringe ich immer mit dem Random-Universum in Ver­bin­dung: Die Titel­me­lo­die einer Film­reihe, die ich als Kind gese­hen habe: „Sach­sens Glanz und Preu­ßens Glo­ria“. Karl-Ernst Sasse hat das in den 80ern für die DEFA kom­po­niert, aber es klingt wie aus dem 18. Jahr­hun­dert. Wenn ich das höre denke ich an das Ran­dom– Uni­ver­sum, denn das spie­gelt ja den baro­cken Glanz, die Bau­werke, die Pracht und die Klei­dung die­ser Zeit, wenn auch in Ver­bin­dung mit einer tech­no­lo­gi­schen Zukunft.

Sie füh­ren eine Art Dop­pel­le­ben: Tags­über arbei­ten Sie in einer Bank und nach Fei­er­abend erfin­den Sie Aben­teuer für die Hel­den von Ran­dom.
Bei der Bank arbeite ich seit­dem ich 16 Jahre alt bin. Ich mache meine Arbeit gerne, aber sie ist recht nüch­tern. Somit ist das Schrei­ben mein krea­ti­ver Aus­gleich. Es ist ein biss­chen wie in Ran­dom (lacht). Das wird von einer Kai­se­rin beherrscht, die Unord­nung hasst und ver­sucht die Men­schen zu Ihrem Glück zu zwin­gen, indem Sie mit Ihrem Ord­nungs­ap­pa­rat Frei­heit gegen Frie­den tauscht. Und natür­lich gibt es dem­ge­gen­über eigen­wil­lige Cha­rak­tere, die andere Vor­stel­lun­gen vom Leben haben und ver­su­chen diese auch durchzusetzen.

Wel­cher Cha­rak­ter liegt Ihnen denn am meis­ten am Her­zen?
Das ist Anu-Ket, eine der ebenso hüb­schen wie gefähr­li­chen Lega­tin­nen. Sie ist ein beson­ders viel­schich­ti­ger Cha­rak­ter. Einer­seits ist Anu-Ket kör­per­lich unglaub­lich wehr­haft und braucht kei­nen Feind zu fürch­ten. Ande­rer­seits ist sie auch geis­tig voll auf der Höhe und sehr intel­li­gent. Dar­aus ergibt sich ein schrift­stel­le­ri­scher Spa­gat, denn Anu-Ket kommt weder als debile Kampf­ma­schine daher, die ihr Anlie­gen aus­schließ­lich mit roher Gewalt vor­trägt, noch ist sie ein schwäch­li­ches Super­hirn, dass seine Feinde nur intel­lek­tu­ell über­wäl­ti­gen kann. Erich Käs­t­ner hat ein­mal gesagt: „Lächeln ist die schönste Art, sei­nen Geg­nern die Zähne zu zei­gen.“ Anu-Ket beherrscht diese Fähig­keit auf beson­ders süffi­sante Art. Mit sar­kas­ti­scher Schlag­fer­tig­keit ver­spot­tet sie ihre Gege­ner — aber nur die­je­ni­gen die es auch ver­die­nen! Nie miss­braucht sie ihre Fähig­kei­ten um Schwä­chere bloß­zu­stel­len. Zudem besitzt sie eine gewisse Selbst­iro­nie sowie einen bis­wei­len exzen­tri­schen Gerech­tig­keits­sinn. Im kom­men­den Band 4 wird Anu-Ket beson­ders viel Raum gege­ben. In zwei der drei Aben­teuer steht sie im Mit­tel­punkt und wird mit ihrer vor­lau­ten Art hof­fent­lich man­chen Leser schmun­zeln lassen.

Bis­lang sind drei Bände der „Aben­teuer im Ran­dom Uni­ver­sum“ erschie­nen. Wie geht es wei­ter?
Die Bände 4 bis 6 habe ich bereits geschrie­ben, zur Zeit bin ich mit der Über­ar­bei­tung beschäf­tigt. Stoff habe ich für ins­ge­samt 10 Bände. Den Aben­teu­rern steht also noch so eini­ges bevor (lacht).

Lie­ber Herr Henke, vie­len Dank für das Gespräch.
(Das Inter­view führte Linus Reingen)

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.