Herr Henke, wie lange braucht man um ein Universum zu erfinden?
Mit einem großen Knall war es auf jeden Fall nicht getan (lacht). Natürlich geht das nicht über Nacht, sondern hatte einen langen Reifeprozess. Ich habe mir schon als Kind ständig Geschichten ausgedacht und die dann erzählt. Meine größten Momente hatte ich, wenn ich mir für die Schule Geschichten ausdenken sollte. Lesen dagegen hat mir keinen Spaß gemacht, weil die Geschichten für mich nicht mehr zu verändern waren. Und so habe ich im Grunde immer schon mit einem Bein in alternativen Realitäten gelebt. Ich habe mir nicht nur Sachen ausgedacht, sondern auch Dinge aus der echten Welt verändert und verbunden. So mache ich das heute noch: ich sauge alles auf und bringe es in einen neuen Kontext.
Sie haben also früh Lust daran gehabt, aktiv zu gestalten.
Ich habe als Kind sogar Spiele gehasst, bei denen man nichts ändern konnte. Ich habe zwar auch ‚Monopolyʻ und ‚Spiel des Lebensʻ gespielt, aber nach meinen eigenen Regeln. Und so ist es mit Random auch: Ich kann die Politik bestimmen und sogar die Naturgesetze, solange alles einer Logik unterliegt. Ich bestimme also gewisse Parameter und an die muss sogar ich mich beim Schreiben halten (lacht).
Später haben Sie dann begonnen, ihre Geschichten aufzuschreiben.
In meinem Kopf passiert so viel, ich muss dass einfach aufschreiben. So habe ich mir lange Zeit immer wieder Schnipsel notiert, wie Charaktere, Szenen und Handlungsbögen. Seit Anfang der 90er habe ich dann immer konkreter Puzzleteile des Random-Universums gesammelt, auch wenn mir das zu dieser Zeit noch nicht klar war. Nach und nach habe ich so das Universum entwickelt, indem ich am Wochenende oder nach Feierabend meine Ideen skizziert habe. 2004 fing ich dann an, die Episoden zu schreiben und 2006 konnte ich das erste Buch veröffentlichen.
Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Geschichten?
Manchmal ist es nur ein einziger Satz, der mich inspiriert und aus dem ich dann ein ganzes Abenteuer entwickele. So einen Satz schnappe ich bei der Arbeit auf oder er kommt mir unter der Dusche in den Sinn. Ich gehe einfach mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und höre oft eine Zeile, über die ich dann nachdenke: Wer könnte das gesagt haben, was bedeutet dieser Satz, in welchem Zusammenhang steht er?
Haben Sie ein Bespiel dafür?
„Wisst ihr denn eigentlich worüber wir hier sprechen? Wir reden darüber, in den Palast der Tamarin-Prinzessin einzubrechen!“ Diesen Satz hat mir mein Charakter ‚Steinbachʻ ins Ohr geflüstert und ich habe ihm ein Abenteuer drumrum erfunden.
Brauchen Sie zum Schreiben einen bestimmten Ort, bestimmte Musik oder andere Einflüsse und Umgebungen?
Bei Musik kann ich sehr gut abschalten. Besonders klassische Musik hilft mir dabei, mich in das Random-Universum einzufühlen.
Was reizt Sie gerade an der klassischen Musik?
Die Eleganz regt meinen Geist an. Und die pure Lebensfreude, die man besonders im Barock und Rokkoko spürt. Bei Antonio Vivaldi und Jean-Baptiste Lully zum Beispiel geht es natürlich viel um Eskapismus, darum die Realität zu vergessen. Es ist eine freundliche Musik ohne Düsternis. So gestalte ich dann auch meine Texte, die ja unterhalten sollen, leicht ironisch, aber sie sollen Spaß machen. Geschichten sind ja grundsätzlich mit der Musik eng verwandt. Auch in Erzählungen geht es um Rhythmus, Harmonie und Melodie, eben darum das der Text im Fluss ist. Und so ist Schreiben wie Komponieren.
Gibt es für Sie ein bestimmtes Musikstück, was diesen Vergleich gut beschreibt?
Es gibt da ein Stück, dass bringe ich immer mit dem Random-Universum in Verbindung: Die Titelmelodie einer Filmreihe, die ich als Kind gesehen habe: „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“. Karl-Ernst Sasse hat das in den 80ern für die DEFA komponiert, aber es klingt wie aus dem 18. Jahrhundert. Wenn ich das höre denke ich an das Random– Universum, denn das spiegelt ja den barocken Glanz, die Bauwerke, die Pracht und die Kleidung dieser Zeit, wenn auch in Verbindung mit einer technologischen Zukunft.
Sie führen eine Art Doppelleben: Tagsüber arbeiten Sie in einer Bank und nach Feierabend erfinden Sie Abenteuer für die Helden von Random.
Bei der Bank arbeite ich seitdem ich 16 Jahre alt bin. Ich mache meine Arbeit gerne, aber sie ist recht nüchtern. Somit ist das Schreiben mein kreativer Ausgleich. Es ist ein bisschen wie in Random (lacht). Das wird von einer Kaiserin beherrscht, die Unordnung hasst und versucht die Menschen zu Ihrem Glück zu zwingen, indem Sie mit Ihrem Ordnungsapparat Freiheit gegen Frieden tauscht. Und natürlich gibt es demgegenüber eigenwillige Charaktere, die andere Vorstellungen vom Leben haben und versuchen diese auch durchzusetzen.
Welcher Charakter liegt Ihnen denn am meisten am Herzen?
Das ist Anu-Ket, eine der ebenso hübschen wie gefährlichen Legatinnen. Sie ist ein besonders vielschichtiger Charakter. Einerseits ist Anu-Ket körperlich unglaublich wehrhaft und braucht keinen Feind zu fürchten. Andererseits ist sie auch geistig voll auf der Höhe und sehr intelligent. Daraus ergibt sich ein schriftstellerischer Spagat, denn Anu-Ket kommt weder als debile Kampfmaschine daher, die ihr Anliegen ausschließlich mit roher Gewalt vorträgt, noch ist sie ein schwächliches Superhirn, dass seine Feinde nur intellektuell überwältigen kann. Erich Kästner hat einmal gesagt: „Lächeln ist die schönste Art, seinen Gegnern die Zähne zu zeigen.“ Anu-Ket beherrscht diese Fähigkeit auf besonders süffisante Art. Mit sarkastischer Schlagfertigkeit verspottet sie ihre Gegener — aber nur diejenigen die es auch verdienen! Nie missbraucht sie ihre Fähigkeiten um Schwächere bloßzustellen. Zudem besitzt sie eine gewisse Selbstironie sowie einen bisweilen exzentrischen Gerechtigkeitssinn. Im kommenden Band 4 wird Anu-Ket besonders viel Raum gegeben. In zwei der drei Abenteuer steht sie im Mittelpunkt und wird mit ihrer vorlauten Art hoffentlich manchen Leser schmunzeln lassen.
Bislang sind drei Bände der „Abenteuer im Random Universum“ erschienen. Wie geht es weiter?
Die Bände 4 bis 6 habe ich bereits geschrieben, zur Zeit bin ich mit der Überarbeitung beschäftigt. Stoff habe ich für insgesamt 10 Bände. Den Abenteurern steht also noch so einiges bevor (lacht).
Lieber Herr Henke, vielen Dank für das Gespräch.
(Das Interview führte Linus Reingen)