Die Geschichte der Tamarin begann mit Sargan, dem Großvater der jetzigen Tamarin-Kaiserin Sabine, den die Historiker der Allianz später wegen seiner Taten Den Großen nennen sollten. Aus seiner Ehe mit Petronella von Gondal gingen insgesamt drei Söhne hervor: Rios, Satyr und Jerum. Eines Tages machten die drei Prinzen zusammen mit ihrem Jugendfreund, Dulong von Wodina, einen Abstecher ins Tamarin-System. Dort kam es zu dem, was der Nachwelt als Illumination überliefert ist. Was exakt hinter diesem kosmischen Phänomen steckte, ist bis heute rätselhaft geblieben. Für nahezu zehn Sekunden stand die Zeit still, öffnete sich ohne erkennbare Ursache ein Spalt im Raum-Zeit-Kontinuum. Dadurch waren die Personen auf dem Planeten unbekannter Strahlung ausgesetzt. Sinnbildlich gesprochen, wurden sie in diesem Moment quasi vom Finger Gottes berührt. Anschließend wiesen alle bleiche Hautfarbe und schneeweißes Haar auf. Trotz intensivster Bemühungen konnten die Ärzte nie herausfinden, was mit den Prinzen und ihrem Begleiter passiert war. Neben der optischen Veränderung ließ sich zunächst nur erkennen, dass die vier extrem langsamer alterten als ihre Zeitgenossen. Tatsache ist: Damals schuf das Universum aus unbekannten Gründen vier unechte Tamarin, die sich ohne weiteres fortpflanzen konnten und auch sonst fast wie normale Menschen lebten. Freilich traf diese Feststellung nicht auf ihren Nachwuchs zu. Satyrs Kinder – die Hoheiten Sarin, Satyrion und Sabine – die er mit Sabrina Keniatta, der großen Schwester von Kommandeur Juno Keniatta hatte, Rios Sprösslinge – Richard und Jasmina – sowie Jerums Nachwuchs – Adalur und Albina – mutierten zu echten Tamarin und bilden seither eine vollkommen neue Spezies. Nur Dulong blieb außen vor, weil er zeugungsunfähig war. Originäre Tamarin verfügen über enorme illuminatorische Fähigkeiten. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine genetische Deformation, welche diese Wesen dazu befähigt, elektrische Energie in ihrer reinsten Form zu nutzen – und das unmittelbar auf atomarer Ebene. So wie Säuren hygroskopisch sind, können Tamarin Elektronen der Atome ihrer Umgebung beeinflussen, auf die sie wie ein Magnet wirken. Diesen permanenten Sog nehmen Menschen beispielsweise als unangenehmes Kältegefühl wahr, dass auch jegliche Flüssigkeit binnen Sekunden gefrieren lässt. Abgesehen von ihrem optischen Erscheinungsbild haben die echten Tamarin absolut nichts Menschliches mehr an sich. Diese Wesen sind ein Paradoxon, denn sie existieren scheinbar losgelöst von Zeit und Raum. Zwar verkörpern sie reinste Energie, wandeln aber trotzdem nicht als körperlose Geister umher. Obendrein sind sie unverwundbar, quasi unsterblich und vermögen durch ihre illuminatorischen Kräfte – auch Tamarin-Feuer genannt – die Konsistenz ihrer Umgebung zu beeinflussen. Die Physiognomie eines Tamarin zeichnet sich durch unnatürlich weiße, geradezu anämische Gesichtszüge aus. Dazu tragen diese Wesen stets einen Sichtschutz, der ihre Augen komplett verdeckt. Dieser ist rot, blau oder pechschwarz getönt und verkörpert weit mehr, als ein rein modisches Accessoire. Ohne ihn würde jeder sofort erkennen, dass Tamarin eigentlich über keinerlei Pupillen im herkömmlichen Sinn verfügen. Stattdessen wirkt es so, als ob in den Augenhöhlen unheimlich glimmende Leuchtdioden sitzen. Dieser mitunter gespenstisch anmutende Anblick trug mit zum negativen Image bei, welches diese Lichtwesen unter den Menschen des Luna-Gürtels genießen. Um nicht vollends als Dämonen verabscheut zu werden, entschieden sich die kaiserlichen Hoheiten notgedrungen, ihre Augenpartie vollständig hinter einer getönten Sichtblende zu verbergen.